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Tourismuswirtschaft und Destinationen

Nachhaltiger – Klimaneutraler Tourismus: verstehen Verbraucher*innen, was damit gemeint ist?

Fachliche Unterstützung des Verbandes der Heilklimatischen Kurorte Deutschlands

Der Verband der Heilklimatischen Kurorte Deutschlands hat an das Alpenforschungsinstitut die Frage herangetragen, ob eine Auszeichnung oder eine Zertifizierung als klimaneutrale Urlaubsorte die bestehende Kernkompetenz der Orte unterstreichen könnte. Gemäß der in den Begriffsbestimmungen für Heilbäder- und Kurorte festgelegten Kriterien, müssen Orte, die das staatliche Prädikat des heilklimatischen Kurorts tragen, sich durch ganz besondere Qualitäten im Bereich Luft und Klima auszeichnen. Insofern erscheint es naheliegend, diese Qualitäten durch die ergänzenden Attribute der Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zu unterstreichen.

Alles ist nachhaltig und/oder klimaneutral

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Auf google findet manzum Begriff ca. 350 Millionen einträge (Stand Ende August 2022). Mit derselben Geschwindigkeit wächst nun die Nutzung der Begriffe der Klimaneutralität oder der Klimagerechtigkeit. Auch hat die Werbewirtschaft diese Begriffe als imageträchtig, insbesondere für jüngere und höher gebildete Käuferschichten entdeckt. Elektro-Autos sind per se nachhaltig, eine Kreuzfahrt auf einem mit Flüssiggas betriebenen Schiff das den blauen Engel als Umweltauszeichung trägt ist der Einstieg in die nachhaltige Kreuzfahrt und das CO2-Kompensationsportal atmosfair produziert in einer Testanlage für die Lufthansa sustainable aviation fuel. Leider halten all diese Beispiel einer kritischen Überprüfung in keiner Weise stand. Es sind greewashing Aktivitäten von Unternehmen, deren Kerngeschäft wie auch seine Produkte weiterhin fernab von dem ist, was man als nachhaltig oder klimaneutral bezeichnen kann.

Studie belegt: Verbraucher*innen haben hybrides Nachhaltigkeitsverständnis

Eine Studie (hier) des Kompetenzzentrums Tourismus und Mobilität der Freien Universität Bozen in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Tourismus der Hochschule München zeigte, dass das Nachhaltigkeitsverständnis von Verbraucher verschwommen und sehr individuell ist. Von 163 Proband*innen lieferten nicht zwei dieselbe Erklärung auf die Frage „wie würden sie einem Verwandten oder guten Freund erklären, was Nachhaltigkeit ist“. Es gab nur wenige Antworten, die alle 3 Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Gesellschaft (sozio-kulturelle Dimension) und Ökologie nannten. Der Fokus lag eindeutig auf Themen der ökologischen Dimension, wobei Männer eher technisch-lösungsorientiert und Frauen eher ganzheitlich-langfristig argumentierten. Auch zeigten sich interkulturelle Unterschiede zwischen Proband*innen aus Deutschland und Italien.

Werbung mit Begriffen „nachhaltig“ / „klimaneutral“ in Wirkung fragwürdig

In der genannten Studie wurden die Teilnehmer*innen zudem gefragt, was für sie nachhaltiger Tourismus is und was diesen auszeichnet. Ein gutes Viertel hat sich hierzu skeptisch geäußert und in Frage gestellt, ob Tourismus überhaupt nachhaltig sein kann. Ein weiteres Viertel hat die Begriffe mit „nur Werbung / greenwashing“ verbunden. Andere wiederum haben ihre Erklärung an wenige konkrete Maßnahmen geknüpft, wie etwa kostenloser öffentlicher Verkehr oder Produkte aus regionaler Produktion auf der Speisekarte. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Werbung mit den abstrakten Begriffen entweder nicht glaubwürdig oder aber nicht verständlich ist. Für den Verband der heilklimatischen Kurorte bedeutet dies, dass es besser ist, das bestehende staatliche Prädikat zum Ausgangpunkt ihrer Kommunikation zu machen und den Nutzen konkreter, die Klimaneutralität und Nachhaltigkeit fördernder Maßnahmen in den Angeboten abzubilden.

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